Ich schreibe aus einer sehr privilegierten Position heraus und dennoch ist es mir ein Bedürfnis, meine Gedanken in diesen Zeiten zu teilen.
Ich hatte das grosse Glück, drei Monate lang eine wunderschöne Reise machen zu können. Von Mitte Dezember bis Mitte März reisten wir in Australien, Neuseeland und der Südsee und erlebte viele schöne aber auch erschreckende Dinge (Buschfeuer). Während dieser ganzen Zeit wurden wir immer wieder von der wachsenden Corona-Epidemie in China nachrichtenmässig verfolgt. Aber es interessierte keinen. Mit jedem Tag trafen wir auf mehr Touristen aus China und alles schien eigentlich normal, bis auf eine kleine Ecke in der Welt.
Und irgendwann begannen dann die Nachrichten dramatisch zu werden, denn Italien wurde heimgesucht und auch das schien noch nicht zu reichen, die Welt aufzurütteln. In Hawaii, wo wir in dieser Zeit waren, hat es jedenfalls niemand ernsthaft interessiert. Bei mir persönlich begann sich allerdings eine gewisse Unruhe breit zu machen. Da noch viel Unsicherheit bezüglich der Risikogruppen und Symptome herrschte. Meine Partnerin, die sich in dem Umfeld auskennt, sah zu diesem Zeitpunkt bereits eine Pandemie auf uns zukommen. Doch wir wollte uns unseren letzten Tagen nicht verderben lassen und genossen weiter die Reise. Allerdings bewegte man sich schon mit einer gewissen Distanz zu Menschenansammlungen.
Dann kam unser Flug nach San Francisco. Ob und was wir uns eingefangen haben, als wir stundenlang in der Warteschlange zur Security standen, wissen wir nicht. Da warten wir jetzt auf die Testergebnisse. Aber mit Sicherheit war es ein Ansteckungsherd erster Güte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Europa bereits begonnen, sich auszuschalten, was den amerikanischen Idioten dazu gebracht hat, von einen «foreign virus», der aus Europa eingeschleppt wurde, zu sprechen. In diesen Tagen meinte man in den USA noch, von dem Virus verschont zu bleiben, in dem man die Einreise aus Europa (ausser Britannien) verbietet. Allerdings waren die Strassen von San Francisco doch schon ziemlich leer, als wir dort waren, was wir natürlich auch noch genossen haben.
Der dringende Warnschuss, dass es nun langsam eng werden könnte, kam 3 Tage vor unserem Heimflug. Swiss cancelte unseren Flug nach Zürich und teilte uns mit, dass man uns über London fliegen würde. Letztendlich konnten wir sogar noch diesem «worst case» entgehen und flogen einen Tag später mit dem letzten Flug der Swiss nach Zürich.
Und nun sind wir hier. Der Alltag sollte uns längst wieder eingeholt haben. Hat er auch, aber nicht auf die gewohnte Weise. Es herrscht ein Ausnahmezustand, der uns alle im Griff hat. Die Menschen sind auf unterschiedliche Art und Weise betroffen und alle suchen nach einen neuen Selbstverständnis, damit nicht das Gefühl aufkommt, einfach nur abzuwarten. Denn das diese Krise in ein paar Tagen vorbei sein könnte, davon geht nun keiner mehr aus. Die Massnahmen werden uns nun für lange Zeit begleiten und wer weiss schon, wie lange es dauert, bevor wir uns einem Menschen ausserhalb unseres direkten Umfeldes wieder unbedarft nähern können.
Nun ist das unserer Alltag; Morgens aufstehen, sich ankleiden, Frühstücken, den Ort, den man zu seinem «Home Office» Platz erkoren hat, aufsuchen, Arbeiten vollrichten, die auf diese Art und Weise erledigt werden können. Und gibt es die massiven Unterschiede, denn viele Menschen, haben keine Beschäftigung, die sie so einfach von ihrem häuslichen Arbeitsplatz mal eben erledigen können. Viele Dinge, die eben noch als unaufschiebbar galten, sind nun auf Eis gelegt. Die Unsicherheit ist gross und damit auch die Unfähigkeit, aus der aktuellen Situation etwas zu erschaffen.
Das muss aber nicht so sein. In vielen Bereichen sieht man bereits, dass ganz neue Dinge angegangen werden können, wenn man erstmal die aktuelle Situation als den Alltag akzeptiert hat. Plötzlich tun sich überall neue Perspektiven auf, die vorher gar nicht relevant waren, weil wir beisammen waren.
Nun gibt es plötzlich «virtuelle Museumsbesuche», Liveübertragungen von Konzerten, Kinos stellen auf Streaming um (bis sie ausgebremst werden), Künstler bauen Platformen, um Ihre Kunst weiter zu präsentieren. Wer kann bietet seine Unterstützung an, anderen das Leben besser zu machen, wenn man möglicherweise nicht die Kraft hat, diesen neuen Alltag zu akzeptieren. Hier bei uns, so sieht es jedenfalls aus, scheint wirklich keiner alleine zu stehen. Wir gucken aufeinander und sehen eine Chance.
Sei es darin, Dinge zu tun, die man immer schon mal tun wollte oder seiner sozialen Ader zu folgen und Menschen in Not zu helfen. Oder einfach neue Wege der Arbeit zu finden und über Lösungen nachzudenken, die unser Leben wirklich benötigt und nicht mehr nur Dinge zu kreieren für den der Bedarf erst bei Marktingmaschinerie generiert werden muss.
Ich hoffe sehr auf eine veränderte Zukunft nach dem Virus, auch wenn viele meinen Optimismus wohl als zu naiv und den Kapitalismus in der uns bekannten Form als unzerstörbar ansehen.
♥️
https://youtu.be/MJr769BACHA